Einweihung am 20.07.21
Berufliche Bildung 4.0 an der WvSS
Industrie 4.0 (I4.0) und Digitalisierung sind nicht mehr nur Schlagworte! Sie begegnen den Beschäftigten in vielen Betrieben bereits als konkrete Veränderungen in den Arbeits- und Produktionsprozessen. Spätestens jetzt wird deutlich, dass die berufliche Ausbildung diesen Wandel mitgehen muss, um die zukünftigen Arbeitskräfte gut vorbereitet in die Betriebe zu bringen.
Die Werner-von-Siemens-Schule Mannheim (WvSS) als Kompetenzzentrum für Automatisierungstechnik/Mechatronik und für Elektrotechnik/Informationstechnik in der Metropolregion Rhein-Neckar nimmt seit 2015 konsequent und gezielt I4.0 Themen praxisnah in die Curricula auf.
In den letzten Jahren wurde an der WvSS eine moderne Lernlandschaft realisiert, deren Kernstücke die hochtechnisierten I4.0-Labore für Automatisierungstechnik, Netzwerktechnik und Montagetechnik sind.
Eine Lernfabrik 4.0 komplettiert die Lernlandschaft, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurde. Dabei kooperiert die WvSS mit der kaufmännischen Friedrich-List-Schule Mannheim (FLS) – dies eröffnet den Auszubildenden an beiden Schulen einen ganzheitlichen Einblick in vernetzte Geschäfts- und Produktionsprozesse.
Tablets im Unterricht
Im Rahmen des Landesprojekts tabletBS.dual wird erprobt, wie der Kompetenzerwerb im Bereich Digitalisierung durch den Einsatz von Tablets gefestigt und erweitert werden kann. Seit dem Schuljahr 2017/18 werden Auszubildende der Berufsrichtung ‚Elektroniker/-innen für Automatisierungstechnik‘ von Schule und Betrieben mit Tablets ausgerüstet, die ihnen auch außerhalb der Unterrichtszeit zur Verfügung stehen.
Die Tablets unterstützen den berufsspezifischen Kompetenzerwerb, da die Auszubildenden jederzeit auf branchenspezifische Software, wie z. B. Siemens TIA Portal zugreifen können. Sie erproben Netzwerkkonfiguration und Fernzugriff auf Automatisierungsgeräte, führen darauf IT-Schulungen durch und sind selbst dafür zuständig, dass ihre Geräte einsatzbereit und auf aktuellem Stand sind.
Der Tablet-Einsatz beschränkt sich jedoch nicht auf den berufsfachlichen Bereich, denn die Digitalisierung soll ein durchgängiges Unterrichtsprinzip an der WvSS werden. Ein modernes Lern-Management-System sorgt dafür, dass die Auszubildenden Unterlagen für alle Unterrichtsfächer stets auf ihren Tablets zur Verfügung haben und auch dort bearbeiten.
Einbindung der Lernfabrik in den Unterricht
Um Schüler zukunftsorientiert und nachhaltig auszubilden, wird an der WvSS zurzeit eine vernetzte Lernfabrik 4.0 eingerichtet. Die Ausstattung der Labore und Fachräume zur Grundlagenausbildung erlaubt bereits die Behandlung zahlreicher praxisnaher Problemstellungen aus den Bereichen Automatisierungstechnik, Informations- und Netzwerktechnik sowie Fertigungs- und Montagetechnik.
Die Lernfabrik wird als Schulungs- und Demonstrationsobjekt genutzt. Hierbei wird, ausgehend von der Kundenanfrage bis zur Auslieferung, ein auf Losgröße 1 ausgerichteter Produktionsablauf abgebildet. Relevante Lerninhalte aus den Bereichen der Automatisierungs-, Informations- und Montagetechnik sowie die erforderlichen Geschäftsprozesse werden in einem ganzheitlichen Zusammenhang vermittelt.
Automatisierungstechnik (Automation)
Die Teilsysteme der Lernfabrik werden in den Automatisierungslaboren exemplarisch vertieft. Die vermittelten Themen sind unter anderem:
- Entwicklung und Einsatz von wiederverwendbaren Softwarebausteinen
- Modularisierung von Steuerungsprogrammen (Plug & Produce)
- Technologien (z.B. RFID, IO-Link)
- Kommunikation (z.B. OPC-UA, MQTT, Security), Schnittstelle zur IT
Beim Lernen und Arbeiten mit den Applikationsmodulen erfolgt der Kompetenzerwerb der Schüler an kleineren und überschaubaren Systemen, an denen die Zusammenhänge schneller und leichter zu erfassen sind.
Darüber hinaus entwickeln die Lehrkräfte an der WvSS didaktische Lehrsysteme für Schülerarbeitsplätze. Dazu werden I4.0-Komponenten auf Plattensysteme montiert und so didaktisch aufbereitet, dass die Geräteanschlüsse leicht zugängig sind. Im Unterricht erfolgt dann ein differenzierter und vertiefter Kompetenzerwerb von einzelnen Technologien wie z.B. IO-Link oder RFID.
Diese Vorgehensweise ermöglicht eine schnelle, flexible und herstellerübergreifende Anpassung des Unterrichts an den Technologiewandel.
IT- und Netzwerktechnik (Data Processing)
Neben der Automatisierungstechnik sind für I4.0 in der Zukunft umfangreiche Kompetenzen im Bereich der IT, wie zum Beispiel Netzwerktechnik und IIoT erforderlich. Diese Kompetenzen werden im neu gestalteten Netzwerklabor der WvSS mittels eigens entwickelter Laborsysteme praxisnah vermittelt.
Die Schüler erlernen aktuelle Technologien im Rahmen von Versuchsaufbauten, die den kompletten Weg der Daten vom Sensor in die Cloud nachvollziehen.
Der Übergang zu ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning) liegt im Kompetenzbereich der FLS als SAP-Partnerschule.
Montagetechnik (Assembly)
Das Montagelabor an der WvSS wird genutzt, um z.B. die Anforderungen des Rahmenlehrplans im Ausbildungsberuf des Fertigungsmechanikers umzusetzen. Hier montieren die Schülerinnen und Schüler Bauteile und Baugruppen zu komplexen Maschinen und Anlagen, überwachen und optimieren Produktionsabläufe.
Bei den praktischen Übungen wird bei der Materialbereitstellung und den Montagearbeitsplätzen „Pick-by-Light“ Technologie eingesetzt. Statistische Daten werden aufgenommen, um den Prozess zu optimieren.
Zur Umsetzung des Konzepts der Losgröße 1 werden mittels 3D-CAD-Software individualisierte Bauteile im Ausbildungsberuf des Mechatronikers sowie in der Fachschule Automatisierungstechnik/Mechatronik konstruiert. Anschließend werden diese auf schuleigenen 3D-Druckern gefertigt und dem Montageprozess zugeführt.
Mit der Lernfabrik 4.0 werden Arbeitsaufträge aus dem MES-System abgerufen, statistische Daten automatisch erfasst und in der zentralen Datenbank zur Verfügung gestellt. So kann auch das ERP-System auf real ermittelte Auftragsdaten zugreifen. Ebenso wird der Einsatz kollaborativer Roboter in der Montagetechnik unterrichtet.
Geschäftsprozesse (Enterprise Resource Planning)
Aufgabenstellungen im Bereich I4.0 erfordern die Vernetzung von kaufmännischer Planung, Auswertung des Produktionsprozesses und der praktischen Umsetzung. Dies wird durch die Kooperation zwischen der WvSS und FLS erreicht.
Durch den Einsatz von SAP ERP erleben die Schülerinnen und Schüler an der kaufmännischen Schule die praktische Umsetzung von Abläufen innerhalb eines Unternehmens. Die Vernetzung der beiden Schulen ermöglicht Echtzeit-Zugriffe auf Daten der Produktion, deren Analyse sowie Eingriffe in die Produktion.
Kooperation mit außerschulischen Partnern
In der Fachschule entstand über die letzten Jahre ein Netzwerk mit Unternehmen, in denen Fachschüler Technikerarbeiten durchführen. Diese erfolgen zunehmend auch im Umfeld I4.0. Im Bereich der Automatisierungstechnik ist die WvSS über viele Jahre kompetenter Partner in der Fortbildung von Mitarbeitern ansässiger Unternehmen. Dabei wurden und werden passgenaue Fortbildungsangebote durch die Lehrkräfte entwickelt und an der WvSS durchgeführt.
Seit die WvSS auf dem „Innovationstag“ (2017) die neu entwickelten Fachräume und das didaktische Konzept für die Technologien im Umfeld Industrie 4.0 vorgestellt hat, gibt es eine große und äußerst positive Resonanz auf das außerordentliche Engagement der Lehrkräfte und die damit geschaffenen didaktischen Möglichkeiten. Großzügige Unterstützung erfährt die WvSS vom Schulträger, dem Verein der Förderer der WvSS, aus der Wirtschaft und von Hochschulen. Für die Lernfabrik 4.0 gab es zusätzliche Fördermittel vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg.
Dies bestärkt uns darin, unseren Weg konsequent weiter zu verfolgen, jungen Menschen in der Aus- und Weiterbildung die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten für die Arbeitswelt von morgen mitzugeben.